30 Jahre nach Berlin wieder Tour-Start in Deutschland

- Düsseldorf erlebt ein Ereignis der Extraklasse –

An den Start der Tour de France im damaligen West-Berlin 1987 kann ich mich noch gut erinnern als ein Radsportfan, der diese spektakuläre Sportart seit den sechziger Jahren mit immer steigendem Interesse verfolgt hat. Als es hieß, dass das geteilte Berlin den Zuschlag für den Start der Tour de France anlässlich der 750 Jahr-Feier erhielt, kannte meine Begeisterung keine Grenzen und die Erwartungshaltung für das größte Radsportereignis der Welt war enorm.

Das offizielle Programm von 1987 mit 23 Teams zu damals wie heute je neun Fahrern wies Namen auf, die auch jetzt noch zum Teil große Popularität besitzen bzw. nunmehr Positionen als Manager oder Sportliche Leiter bekleiden. Da waren der Franzose Marc Madiot von Systeme „U“, heute Generalmanager von FDJ, sein Landsmann Jean-Rene Bernaudeau von Fagor, heute Generalmanager von Direct Energie, der Belgier Marc Sergeant von Joker-Emerxil-Eddy Merckx, heute Generalmanager von Lotto Soudal und der Sieger der 1. Etappe im 105,5 km langen Straßenrennen am 02. Juli 1987 Nico Verhoeven aus den Niederlanden, der 2017 Sportlicher Leiter beim Team Lotto NL-Jumbo ist. Immer noch als Sportlicher Leiter dabei ein Hilaire van der Schueren, damals bei Superconfex-Kwantum-Yoko und heute bei der Wanty-Groupe Gobert.  Ferner sah man in Düsseldorf die Generalmanager Eusebio Unzue vom Movistar Team und Patrick Lefevere von Quick-Step Floors, die damals in Berlin bereits  Sportliche Leiter bei Reynolds-Seur-Sada bzw. Joker-Emerxil-Eddy Merckx waren.

Mit der Startnummer 7 startete ein Mann, den heute jeder interessierte Radsportfan vom Sender Eurosport kennt: der perfekt deutsch sprechende Franzose Jean-Claude Leclercq, durch seine fachkundigen Kommentare bekannt, fuhr in Diensten seines französischen Kapitäns Jean-Francois Bernard für Toshiba-Look-La Vie Claire die Tour und belegte am Ende Platz 50, seine beste Platzierung bei insgesamt sechs Teilnahmen. Aber inzwischen sind halt 30 Jahre vergangen und so sind auch einige der damaligen Radstars nicht mehr unter uns: der Belgier Claude Criquielion (verstorben im Februar 2015), der Franzose Laurent Fignon (August 2010), der Niederländer Gerrie Knetemann (November 2004) oder der Belgier Rudy Dhaenens (April 1998) zählten seinerzeit zu den Stars dieser Tour, die mit einem Prolog als Einzelzeitfahren begann, das der Niederländer Jelle Nijdam gewann und Dietrich Thurau, für Roland-Skala fahrend, einen guten 6. Platz errang.

Berlins damaligem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen sei Dank, dass er dieses Großereignis trotz der Widrigkeiten, die sich aus der politischen Situation Berlins ergaben, aber mit der Hilfe der französischen Schutzmacht nach West-Berlin geholt hat. Ob am Kurfürstendamm beim Prolog, beim Straßenrennen mit Zieleinlauf am Schöneberger Rathaus oder beim Mannschaftszeitfahren, die Berliner standen in Scharen an der Strecke und jubelten ihren Helden zu. Der Besuch der Tour de France kostete Berlin damals drei Millionen Mark, ein Bruchteil dessen, was heutzutage in der Hauptstadt zum Teil sinnlos an Geldern vergeudet wird.

Der ehemalige Generaldirektor der Societe du Tour de France Jacques Goddet zeigte sich stolz, mit dem Tourstart zur Feier des 750. Geburtstages Berlins beitragen zu können. Das hatte so etwas wie Symbolcharakter und war ein starkes Zeichen für die deutsch-französische Freundschaft und lebte nun nach 30 Jahren in Düsseldorf  beim Grand Depart wieder auf. Jetzt waren es der radsportbegeisterte Oberbürgermeister Thomas Geisel und der Direktor der Tour de France Christian Prudhomme, die dieses Großereignis wieder nach Deutschland holten und für ihre Bemühungen mit den unerwartet großen Zuschauermassen trotz schlechter Wetterbedingungen mehr als belohnt wurden.

Dieses Mal war ich als Journalist für die Tage in Düsseldorf akkreditiert und konnte damit auch hinter die Kulissen schauen. Die Tour ist ein riesiges Unternehmen, das einen logistischen Aufwand erfordert, der nur von einem seit Jahren eingespielten Team zu stemmen ist. Ein Rad greift in das andere, jeder Mitarbeiter ist dabei gefordert und die zur Zeit kaum überschaubare politische Situation verbunden mit Terrorangriffen führte zu noch mehr Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. Taschenkontrollen, die alle aber mit entsprechender Geduld über sich ergehen ließen. Der Oberbürgermeister war mehr als stolz über seine Stadt, die einen würdigen Rahmen für den Start der 104. Tour de France bildete und damit auch für den deutschen Radsport ein Zeichen setzte, der im nächsten Jahr mit der Rückkehr der Deutschland-Rundfahrt ein weiteres Highlight erleben soll.

Als Berliner kann man da nur mit Wehmut zuschauen und hoffen, dass die vielen Versprechen zur Erhaltung des Radsports in der Hauptstadt auch in die Tat umgesetzt werden. Wie es geht zeigte damals schon Eberhard Diepgen und hier in Düsseldorf Thomas Geisel, dessen Namensvetter Andreas Geisel, derzeit Senator für Inneres und Sport in Berlin, sich einmal mit dem Oberbürgermeister in Verbindung setzen sollte. Nach den vielen Absagen von Radsportevents wie die Tour de Berlin oder dem Rollbergrennen, die in erster Linie an bürokratischen Auflagen gescheitert sind, ist er jetzt und künftig gefordert, nicht nur den Fahrradverkehr allgemein, sondern auch den Rennradsport in der Stadt zu unterstützen. Aussagen seines Staatssekretärs Christian Gaebler anlässlich der Pressekonferenz zu den kommenden Bahn-Europameisterschaften im Velodrom lassen hoffen, dass in dieser Hinsicht sich doch im nächsten Jahr einiges bewegen wird. Die 65. Tour de Berlin im Jahre 2018 sollte dabei im Focus stehen, denn sie gilt seit vielen Jahren als eines der Sprungbretter in die Profiszene.

Bernd Mülle         

Letzte Änderung am Freitag, 07 Juli 2017 16:45
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